Sonntag, 4. September 2011

Digital sozial

Netzpolitische Tagung der LINKspartei im Berliner Betahaus zum Thema "Netz für alle". Am Vorabend wurde noch rasch eine "Bundesarbeitsgemeinschaft Netzpolitik” in der LINKspartei gegründet, um keine kaderpolitischen Überraschungen zuzulassen. Aber sonst war die Tagung angenehm sachbezogen. Die digitale Spaltung also und ihre Ausweitung durch die aktuelle Sozialraub-Politik. Am Nachmittag entschied ich mich für das Panel gleichen Namens. Referentin Kathrin Englert hatte ihre Thesen vorab ins Netz gestellt, Referent Prof. Dr. Karsten Weber outete sich als eher strukturkonservativ, MdB Halina Wawzyniak moderierte.

spalter

Die Diskussion blieb weitgehend eine antithetische: die Hartz-Gesetze verfestigen eine digitale Spaltung per Gesetz - soweit noch unbestritten. In den Hartz IV-Regelsätzen sind monatlich nur etwa 6,- Euro für Internet- sowie Onlinedienste und für Datenverarbeitung inkl. Software enthalten. Das Geld für die Anschaffung eines PC muss aus den Regelleistungen angespart werden. Netzzugang zählt nicht zur informationellen Grundversorgung.

Richtig so, sagen die verrohten Möchtegern-Bürger aller Parteien, wer aktiv werden will, muss selbst das Gesäß hoch bekommen. Die digitale Spaltung sei einfach eine demografische. "Unwürdigen" neue Technik hinzustellen, löse kein Problem. Die knappen Ressourcen müssten per Wolfsgesetz verteilt werden und Internet sei auch nur eine Spielart von werbegetriebenem Massenkonsum und ideologischer Lenkung durch die ominösen 200 Familien.

Dabei könnte das Internet den Ausgegrenzten neue Teilhabe eröffnen, vielfach Handlungsfähigkeit zurückgeben: soziale Netze monopolisieren bereits weitgehend die mitmenschliche Aufmerksamkeit, Online-Preisvergleiche lenken das Kaufverhalten, elektronische Markt-Plattformen ersetzen mehr und mehr Flohmärkte. Traditionelle Medien bieten weiterführende Informationen auf ihren Webseiten. Politisches Engagement bekommt neue Arbeitsmittel in Online-Petitionen, Bewertungsseiten oder Emails an Politiker. Foren, Chats oder Communities ersetzen die Lokalseiten der Presse. Informationen über Jobangebote, Einkommens- oder Zuverdienstquellen wandern ins Netz. Online-Bewerbungen werden zur Regel. Das elektronische Rathaus spart Behördengänge. Aktivitäten zu Heimatpflege und Umweltschutz erreichen ungefiltert ihre Adressaten, Spiel- und Freizeitangebote runden das Angebot ab. Auch bei der berüchtigten "Tagesstrukturierung" der Hartz-Betroffenen könnte das Netz helfen.

Falsch, sagen die Demografie-Gläubigen: Internet nützt den Alten nichts, sie arbeiten nicht mehr, sie finden ihre Infos nicht, werden noch verunsicherter und verwirrter. Technik an sich ist noch nicht emanzipatorisch. Als negatives Beispiel wird dann zumeist das Bürgerfernsehen zitiert, was wohl weitgehend zutrifft. Doch gibt es auch mehrere hundert Bürgerradios und offene Radiokanäle allein im deutschsprachigen Raum und sie schaffen täglich Medienkompetenz und politische Sprachfähigkeit. Webstreams und Podcasts helfen ihnen, unabhängig zu bleiben.

Die Diskussion glitt ins Kleinteilige ab, doch insgesamt zeigte sich die Stärke einer politischen Partei, Partei nehmen zu können, den Unterprivilegierten Austausch, Mitwirken und soziale Gemeinschaft in einem (gar nicht mehr so) neuen Medium zuzubilligen. Und die Unpfändbarkeit von internetfähigen PCs erscheint als längst überfällig. Schade, dass das Panel so mutlos endete, denn ein eigener Internet-Zugang gehört unbedingt in den Grundbedarf der Hartz-Gesetze!

Freitag, 2. September 2011

Der Geizige 2.0

Auf dem Marktplatz soll es kostenloses Internet geben. Schnell hin und Drahtlos-Netzwerke suchen lassen. Da ist es ja: "Radio_Brocken_Stadt_Halle", ein ungesichertes Netzwerk, Windows warnt, zu recht.

1winwarn

Ich klicke trotzdem drauf, es dauert eine Weile, dann ist die Verbindung hergestellt.

2verbindung

Die Webseite von Radio Brocken (schießt mit den Socken) baut sich ganz langsam auf, scheint aber keine zielführenden Informationen zu beinhalten. Die Seite www.halle.de leitet zu einem Hotspot-Betreiber namens hotsplots.de weiter, klingt wie Hotzenplotz. Der verlangt eine Anmeldung und will eine Menge wissen:

3spitzel

Nach Beantwortung aller Spitzelfragen bin ich "registriert", aber noch längst nicht "drin".

4registriert

Denn dazu müsste ich auf die zugesandte Bestätigungsmail antworten und Zugang zu meinem Mailprovider gewährt mir "Hotzenplotz" nicht. Also wieder nach Hause dackeln, Verbindung mit dem heimischen WLAN aufnehmen und Mails abrufen. Da ist die Mail von Hotzenplotz mit der anklickbaren Webadresse, ich klicke und werde willkommen geheißen. Jetzt rasch wieder auf den Markt, wo das Netzwerk noch langsamer geworden ist:

5warten

Nach etlichen Minuten gibt es einen Zugang mit eingeschränkter Konnektivität.

6eingeschr

Und dann endlich eine Möglichkeit zum Einloggen:

7einlogg

Ich fülle aus, klicke, doch nun (10.45 Uhr) ist der Hotspot ganz ausgefallen, wahrscheinlich eine Konstruktion aus Klingeldraht und Spucke, was will man in dieser Stadt anderes erwarten? Überhaupt, ein ungesichertes Netzwerk - wer da zufällig noch ein paar Ordner freigegeben hat, setzt sich übelsten Gefahren aus. Aber woher sollen diese Typen das wissen?

Mittwoch, 17. August 2011

Schubi dubi DAB DAB+

Die Landesmedienanstalten haben zum 1. August vollmundig den Start des neuen Digitalradios DAB+ in Deutschland verkündet. Auch in der Region Halle/Leipzig dürfen Technik-Affine nun ihre alten DAB-Geräte einmotten bzw. wegwerfen und sich neue DAB+-Geräte kaufen. Doch lohnt das? Ich wollte es wissen und bestellte für unter 20,- € ein Empfangsgerät für den USB-Anschluss meines Computers. Dazu gibt es eine kleine Stabantenne mit Magnetfuß und eine Daten-CD. Doch das Gerät empfing nichts auf dem heimischen Balkon, nichts im "Polizeipark" und auch an der Neustädter Passage blieb es stumm. Wenn der Berg nicht zum Propheten kommt, muss der Prophet sich zum Berg bemühen, in diesem Fall zum Petersberg. Erstkontakt hatte ich in dem kleinen Holzpavillion an der Abzweigung zum Fernsehturm.

1erstkon

Der Suchlauf fand "39 Services" auf zwei Kanälen und listete sie untereinander auf. Nach Anklicken waren dann tatsächlich Deutschlandfunk, Deutschlandradio Kultur, Deutschlandradio Wissen und etliche lokale Peinlichkeiten zu hören. "Du hast die Wahl zwischen Radio Brocken und Radio SAW" singt Rainald Grebe über Sachsen-Anhalt. Doch in den beiden DAB+-Bündeln gibt es auch Klassikradio, den Evangeliumsrundfunk und Radio Horeb. Dazu wird manchmal etwas Webseiten-artiges angezeigt, meist jedoch nur eine Diaschau in Briefmarkengröße.

2bobfahrer

Und wie ist der Empfang in Bewegung? Ich wanderte weiter in Richtung Kloster und sofort gab es Aussetzer und Artefakte. Letztere sind nicht mehr so zischend und "spratzend", sondern eher wie Räuspern oder Knistern, dank AAC. Offenbar irritierte das Gerät jede Bewegung der Antenne, nun verstummte es sogar und verlangte von mir, sein C++-Programm zu debuggen. Als ich das ablehnte, stürzte es ab und ließ sich auch nicht neu starten.

3debug

"Herunterfahren-Hochfahren-geht" hilft meistens. Im alten Klostergarten war der Empfänger wieder einsatzbereit, brauchte auch nicht neu zu suchen. Der Sprechautomat von "Arvid" plapperte pausenlos Verkehrsmeldungen in kurioser Aussprache herunter, aber die Sonne schien, die Rosen dufteten und ein Mönch führte Besucher herum. Die Klosterbrüder brauchen keinen Evangeliumsrundfunk, die Großstädter könnten Klassikradio aus der Luft durchaus gebrauchen.

4klostergart

Nach einer Rundwanderung am Bismarckturm und an den Tiergehegen entlang zum Museum pappte ich mit lässiger Geste die Antenne mit dem Magnetfuß aufs Autodach und machte mich auf den 13 km langen Weg in die Saalemetropole. Auf der Fahrt gab es wieder Aussetzer. Ob auch Artefakte dabei waren, kann ich wegen des Motorgeräuschs nicht sagen. An der Saalebahn setzte der Empfang mehrfach aus, in der Trothaer Straße war dann Funkstille. In der Paracelsusstraße riss die Elektrosmog-Glocke über der Stadt noch einmal kurz auf, der Rest ist Schweigen. Eigentlich dürften die Rundfunk-Gewaltigen nicht mit "Digitalradio für alle" werben - statt dessen mit "Digitalradio für ortsfeste Computerkundige im nördlichen Saalekreis".

Freitag, 15. April 2011

Das geheime Wort

Der Popper mit dem Hopper-Ticket war in Weißenfels, in der Novalis-Gedenkstätte in der Klosterstraße 24 und am Grab des Dichters, wo schon wieder die blauen Blumen blühen:

grab

Wenn nicht mehr Zahlen und Figuren
Sind Schlüssel aller Kreaturen,
Wenn die, so singen oder küssen,
Mehr als die Tiefgelehrten wissen,
Wenn sich die Welt in's freie Leben,
Und in die Welt wird zurück begeben,
Wenn dann sich wieder Licht und Schatten
Zu echter Klarheit werden gatten,
Und man in Märchen und Gedichten
Erkennt die ewgen Weltgeschichten,
Dann fliegt vor Einem geheimen Wort
Das ganze verkehrte Wesen fort.


(Novalis)

hinweis

Mittwoch, 9. Februar 2011

Warum ist es am Rhein so schön?

Feierabendverkehr im Dorf der Millionäre. Ich stehe am Ufer und warte auf meinen Termin. Eine blassrote Sonne berührt schon fast die Hügel am anderen Ufer. Aus der Dunstglocke der nahen Großstadt fliehen Kondensstreifen in alle Richtungen.

rhein45

Leute wie mich lädt man natürlich nicht zu Millionärs nach Hause ein. Wir sind im 30er-Pack im Schulungsheim der C-Partei untergebracht und werden nun einzeln vor die Kommission gebeten. Zurück im Heim stehe ich auf dem Gang, an der gardinenverhangenen Glastür gegenüber klebt bedrohlich ein Blatt Papier: "Rümpel-Pümpel-Stiftung Einzelgespräche". Es folgt eine lange Namensliste, mein Name ist auch dabei. Und immer noch bleibt eine Viertelstunde Zeit.

Ein paar Räume weiter exerziert eine Jugendgruppe ein Planspiel der Bundeswehr. Die Halbwüchsigen sind mit Eifer bei der Sache. Es geht um Politik oder zumindest um das, was unsere Feldgrauen für Politik halten. Jetzt haben sie auch noch Pause und strömen ans Kaffeebuffet. Ein aufgeregtes Mädel redet auf einen grau Uniformierten ein, doch der zeigt sich abweisend: "Das müssen sie ganz allein entscheiden, nur an Hand ihrer jetzt verfügbaren Informationen!" Der Offizier lächelt über den Tassenrand. Das Mädel ist anscheinend die "Bundeskanzlerin", denn ein Beraterpool umschwärmt sie. Ich trinke auch einen Kaffee, der unscheinbar schmeckt, aber wohl doch zu stark war. "Die Oppositionsführer treffen sich nach der Pause in Raum 213!", ruft der Offizier und "Die Krisen-Reaktionskräfte denken bitte daran, dass sie noch etwas vom Finanzminister wollen!"
Zu Hause kaue ich bei Nervosität manchmal auf einer rohen Makkaroni herum, was sich hier leider verbietet. Nun beraten die Aufstandsbekämpfer auch noch direkt vor mir, wie sie der Bundeskanzlerin den Einsatz der Bundeswehr im Inneren schmackhaft machen können.
"Geht weg von mir, ich bin ein Aufständischer!"
"Mach den Schröder, du Maschmeyer!"
"Mach mir den Möllemann, du linke Mitte!"
"Geht nicht, ich habe gleich einen Termin hier."
Die Jugendlichen lesen den Zettel an der Tür und entschuldigen sich umständlich. In diesem Moment öffnet sich die Glastür und eine alte Dame mit mächtiger grauer Mähne bittet mich vor die Kommission. Ab hier gebietet die Höflichkeit des Sängers Schweigen.

rhein43
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