Donnerstag, 31. Mai 2012

Aufgehangen an Ruinen und dem Abriss zugewandt

In Halle an der Saale sieht es zur Zeit bizarr aus : ganze Straßenzüge sind mit Kopfplakaten zugepflastert, Plakatwände nehmen den Verkehrsteilnehmern die Sicht und riesige Werbeplanen verhüllen zahlreiche Ruinen.

senius3

Ein/e neue/r Oberbürgermeister/in soll gewählt werden, neun Bewerber haben bisher ihren Hut in den Ring geworfen, darunter nur eine Frau.
Normalerweise wäre es ein Rennen zwischen Baufilz (CDU) und Sozialmafia (SPD), aber der CDU-Kandidat fischt am rechten Rand und der SPD-Kandidat hat kompetentere Konkurrenz auf/aus der Linken. Auch der amtierende Ordnungs-Dezernent tritt als Parteiloser an und ein netter junger Pirat fischt die Protestwähler ab. Das Rennen bleibt offen und spannend, nur müssen sie deshalb die Stadt so verunstalten?

poenisch

Montag, 26. März 2012

Götzendämmerung für Frühaufsteher

Es waren nur ein paar Sätze im ehemaligen Nachrichtenmagazin 'Spiegel': Andreas Hillger, seines Zeichens Theaterkritiker der "Mitteldeutschen Zeitung" in Halle, habe jahrelang unter Pseudonymen Bühnenstücke verfasst, die in seinem Berichtsgebiet aufgeführt wurden. Diese wurden dann ausnahmslos von seinen mitteldeutschen "Journalisten"-KollegInnen (darunter seiner Frau) mit begeisterten Kritiken gefeiert: "Ein Projekt also mit Vorbildcharakter, das Schule machen sollte ... Das Publikum tost."

Buchner

August Buchner und Frank Wallis (zwei seiner Pseudonyme) wurden zu Starautoren hochgejubelt, Hillger wurde zum meist gespielten Gegenwartsautor in Sachsen-Anhalt. In der "MZ" wurde "Wallis" als reale Person beschrieben, ein "junger, sehr belesener Autor", seine Uraufführungen waren stets "umjubelt". Hillger bedankte sich mit lobenden Artikeln über die Theatermacher, die seine Stücke auf die Bühne brachten. Das Anhaltische Theater Dessau, die Händelfestspiele, das Impulsfestival, das Werkleitz-Festival, die Theatrale Halle und die Bühne Wittenberg konnten so auch euphorische Lobeshymnen für ihre eigenen, eher unterdurchschnittlichen Hervorbringungen einfahren.
Die dramaturgische Schreckensherrschaft von schlechtem Theater und manipulativer Presse hat erst einmal aufgehört, die "Mitteldeutsche Zeitung" schweigt drohend, Ratlosigkeit im "Land der Frühaufsteher". Zu wünschen wäre, dass etwas besseres nachkommt, nur wie?

Sonntag, 18. März 2012

Blütenlese an der Saale

Rechtzeitig zur Leipziger Buchmesse ist im Universitätsverlag Halle-Wittenberg ein neues Buch erschienen. Eine Jury um die Herausgeberin INGEBORG VON LIPS wählte für ihre "Hallesche Anthologie" Texte von 17 Autoren aus, presste sie zwischen zwei Buchdeckel und den Überbegriff "Stadt der Wissenschaften": WILHELM BARTSCH zeichnet das Schicksal des Mathematikers Georg Cantor nach, JULIANE BLECH denkt sich im Gedicht einen Dichter. "Zeit"-Texter CHRISTOPH DIECKMANN hat eine seiner Sonntagsreden von 2008 beigesteuert. ELKE DOMHARDT und GÜNTER SCHENK erinnern an den fast vergessenen Philosophen Johannes Vaihinger. RONALD GRUNERs Rabe erfährt die Folgen übertriebener Hinwendung zur Philosophie und seine "Kollegen Elektromonteure" sind wirklich frech. JÖRG KOWALSKI besucht das Geiseltal-Museum, CHRISTOPH KUHN muss einem Ausbruch aus dem Propaganda-Gefängnis bundesdeutscher Erinnerungs-Unkultur tatenlos zusehen.
DORIS CLAUDIA MANDEL wälzt im "Zweifingersyndrom" Geschlechterfragen um, RALF MEYER singt von und in Kneipen. ERIK NEUTSCH folgt den Spuren des Malers Matthias Grünewald. MICHAEL PANTENIUS schreibt an einem Roman um den Arztes Johann Jakob Lerch, der 1731 nach Russland auswanderte. MARGRET RICHTER steuert schließlich die bisher schmerzlich vermisste Prise Erotik bei und klärt, weshalb an der vergoldeten Kugel auf dem Roten Turm zahlreiche vergoldete Zacken nach oben weisen: weil in vergangenen Jahrhunderten immer wieder Hexen und Teufel oben auf der Kugel heißen Sex gehabt haben sollen! Die schöne Marktfrau Hanna hatte es zuletzt 1694 auf der Folter gestanden. Da haben die Stadtväter nicht lange gezögert: damit nie wieder eine Hexe dort oben mit dem Teufel buhlen kann, ließen sie 246 spitze Zacken auf der vergoldeten Kugel anbringen.
DIETMAR SIEVERS erzählt von dem Syrakus-Wanderer Seume und seiner Meinung zum Teuerungstumult von Halle im Jahre 1805. BERNHARD SPRINGs pedantischer Bibliothekar hat auch seine privaten Bücher mit Signaturen versehen. Band Nr. W3-34 bringt ihn ins Grübeln. THOMAS STEIN schreibt von Kunsthyänen, Partylöwen und Galeristen-Geparden in der Ruhe vor dem Sturm. DANIEL TAUTZ erzählt von Außerirdischen, deren Expedition durch Halle tragisch endet. LOTHAR VOGELs Zeitkapsel schließlich ist ein Dokumenten-Behälter in einem Denkmal von 1871, der 2007 geborgen wurde. Doch die Kapsel ist längst korrodiert, der Inhalt von Mäusen zernagt. Die eifrigen Honoratioren von 2007 finden nur einen Papierstreifen mit der Aufschrift „Gerechtigkeit“ und fühlen sich ermahnt, endlich ein wenig Gerechtigkeit in ihr Handeln zu bringen.
Die „Hallesche Anthologie“ hat 164 Seiten und kostet 12,- €. (ISBN 978-3-86977-046-8)

antho

Donnerstag, 23. Februar 2012

RPG-Maker-Spiele auf dem Caanoo?

Im Prinzip funktioniert Easy-RPG, doch man kommt nicht sonderlich weit. Bei "Vampires Dawn 1" ist im ersten Dorf Schluss, bei der "Reise ins All" schon beim Titelbildschirm. Man kommt noch in Speichermenü und Hauptmenü des Spiels, kann auch regulär beenden, aber eben nicht spielen.

vampirblut

Montag, 13. Februar 2012

Althallische Originale

In der "guten alten" Zeit genügte es, ein wenig von der Norm abzuweichen, um als Original zu gelten. Armin Stein (Hermann Otto Nietschmann) hat 1921 fünfzehn von ihnen ausgegraben und liebevoll beschrieben: den frühen Vogelschützer Duttav (Gustav), das Mütterchen Lehmann von der Suppenküche, Fräulein Mardut und ihre schönen alten Roben, dazu den Studentendiener "Napoleon" und das Geschwister-Trio aus der Kurzwarenhandlung Hummel. Gosenwirt Thieme verteidigt erfolgreich seinen Ruf als gröbster Wirt der Stadt, Glöckner Mehlhose läutet mit Wut und Andacht, Kutscher "Strohhut" schreibt seine Memoiren, Mamsell Regine und ihr Schoßhündchen sind unzertrennlich, Doktor Kayser ist ein Vorkämpfer der Homöopathie und Professor Scheuerlein wirkt als kauziger Lehrer an Franckes Latina. Aber auch Fürst Leopold (der alte Dessauer) wird von Stein in die Reihe der Originale gestellt und Robert Franz, der Singakademiker. Johanna Bahrdt steht schließlich für ihren Vater in der unterhaltsamen Sammlung, den Theologen, Aufklärer und Schankwirt Karl Friedrich Bahrdt.

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Dieses 1921 letztmalig gedrucke Werk ist jetzt wieder erhältlich, bei Amazons KDP als Kindle-Ebook zum sehr verträglichen Preis von 1,02 Euro (im Kindle-Shop nach "Armin Stein" suchen). Das soll jetzt mal keine Werbung sein, sondern die pure Stadtgeschichte, in die Gegenwart herein geholt.

Montag, 26. Dezember 2011

Gänsebraten und Melancholie

Möchte ich hier noch begraben liegen? - fragte sich der arme Verwandte auf seinem einsamen Verdauungs-Spaziergang durch den Ort.

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Auf dem Friedhof von Osterwieck wurden drei Reihen ausgewachsener Lärchen gefällt und etliche alte Gräber abgeräumt. Die Lärchen nadelten zwar manchmal, gaben aber auch so etwas wie - nunja - Trost.

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Im Porzellanladen war nicht ein Mal ein Elefant zu Besuch, nun steht er leer.

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Der Osteuropäer in der ehemaligen Konditorei Reiche hat auch längst aufgegeben.

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In der "Tanne" war früher einmal die Stadtbibliothek, nun steht sie schon seit undenklichen Zeiten leer. Hier wurden einige Straßenszenen für den Goethe-Film gedreht. Die Bücher erbte eine Schulbibliothek.

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Drogerie und Radioladen sind längst geschlossen und im ehemaligen Bahnhof haust jetzt ein Online-Versender für teuren Kinderkram.

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Jugendliche Architektur-Kritiker griffen zu rosa Farbbeuteln. Vielleicht handelt es sich ja bei dem allem um eine Neuauflage des 30-jährigen Krieges und 20 Jahre sind schon geschafft?

Dienstag, 13. Dezember 2011

Maos Verstärker

Vorige Woche habe ich an einer kleinen medienpolitischen Entdeckungsreise nach Peking teilnehmen können, Radio China International (CRI) feierte 70. Jubiläum. Schon 1940 hatte das Zentralkomitee der KP Chinas im Gebiet Yan'an in der Provinz Shaanxi das erste Volksradio gegründet - Radio Xinhua. Am 3. Dezember 1941 wurde bei Radio Xinhua erstmals auf Japanisch gesendet. Studio und Sender waren unterirdisch in zwei Wohnhöhlen untergebracht. Kommunisten und Kuomintang kämpften gerade verbündet gegen die japanischen Besatzer. 1945 begann ein erbitterter Bürgerkrieg zwischen den genannten Parteien, der 1949 mit dem Sieg der Kommunisten auf dem Festland endete - und mit der Gründung der VR China. Aus dieser Zeit stammen auch die ersten Sachzeugen der Ausstellung im CRI-Hochhaus im Westen Pekings:

1verstaerker

Der Röhren-Verstärker, der bei der Gründungszeremonie der VR China die Stimme des Großen Vorsitzenden verstärkte

2lautsprecher

und auf die passenden Lautsprecher schickte.

3plattenspieler

Musik von Platten gab es natürlich auch

4tonband

und Grußworte aus Moskau vom Band. Das chinesische Auslandsradio verbreitete die freudige Nachricht in alle Welt, mit Beiträgen,

5schreibmaschine

die vorher auf einer chinesischen Schreibmaschine getippt worden waren.

6nachtleben

Wir waren von Ausstellung und Drumherum sehr angetan und machten abends noch einen Zug durch die einschlägige Gastronomie der Hauptstadt. Was es gab und wer bezahlte, darf ich leider nicht berichten, denn das Jobcenter Halle hat angedroht, mir bei eventuell im Ausland angenommenen geldwerten Vorteilen die Leistung zu kürzen. Und die Belege vom Reisebüro muss ich nun 20 Jahre lang aufbewahren - wie das so ist in einem Unterdrückungsregime.

Donnerstag, 13. Oktober 2011

Im Ghetto

Seit langer Zeit ist wieder einmal ein Text von mir gedruckt worden. Ohne Realnamen, schwer redigiert bis verschlimmbessert, ohne Entlohnung - aber Ossi freut sich!

tiere

Freitag 41/2011, S. 27
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